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Doublefeature Hush Now Baby, Don’t You Cry

Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern ist auch in ihren unumgänglichen und notwendigen Konflikten von Liebe geprägt. Das Vertrauen darauf erzeugt Geborgenheit, aber auch eine große Verwundbarkeit. Eine Familie bietet Kindern Schutz vor einer feindlichen, harten Welt. In beiden Filmen stehen große Familiengefüge im Zentrum, die man als »Clans« bezeichnen kann. Die wirtschaftlichen und vor allem emotionalen Abhängigkeiten verlangen fragwürdige Loyalitäten, die die Protagonistinnen an ihre Grenzen und darüber hinaus führen.

»Von Anfang an war ich an der Darstellung von Gewalt interessiert. Was ist sie und wie kann sie sich manifestieren? In unserer Geschichte koexistieren Liebe und Gewalt; sie ist am Frühstückstisch, in jedem Lächeln, jedem Gespräch, jeder Zärtlichkeit präsent. Es ist also nicht die Gewalt an sich, die ein beunruhigendes Gefühl erzeugt, sondern die Tatsache, dass sie mit Zuneigung einhergeht. Das ist die zerstörerische Kraft der Familienliebe.« Jeanette Nordahl über ihren Debütfilm »Wildland«

Die erzwungene Integration in die Gesellschaft definiert neue Herausforderungen und verlangt einen anderen Zugang zu dem, was die elfköpfige Familie Enache verbindet, die bis dahin in der Wildnis einer Flusslandschaft gelebt hat. Der Film »Acasă, My Home« zeigt, wie sich ein Familienclan alter Prägung im Umfeld der modernen Zivilisation aufzulösen beginnt.

»Der Film dreht sich aber auch um eines der größten Dilemmas des modernen Menschen: zurück in die Natur gehen, wo das Leben frei, aber hart ist, ohne die Vorteile der Zivilisation? Oder Teil einer Gesellschaft zu sein, die Möglichkeiten eines komfortablen Lebens bietet, aber nur für diejenigen, die bereit sind, den Druck auf sich zu nehmen, der mit diesem Komfort einhergeht?« Radu Ciorniciuc über »Acasă, My Home«

14:00 Samstag, 19. Juni 2021
Doublefeature „Hush Now Baby, Don‘t You Cry“ – Teil 1
Stadttheater

Acasă, My Home
2020, Radu Ciorniciuc

Zwei Jahrzehnte lang lebte die Familie Enache – neun Kinder und ihre Eltern– in einer Hütte in der Wildnis einer Fluss- und Sumpflandschaft vor den Toren Bukarests. Das Wasserreservoir ist eines der größten städtischen Naturreservate der Welt und umfasst unzählige kleine Seen mit Hunderten von Tierarten und seltenen Pflanzen. Als die Behörden beschließen, dieses seltene Ökosystem unter Schutz zu stellen, muss sich die Familie Enache in der Großstadt neu ansiedeln, in einer Realität, die ihr vollkommen fremd ist. Die Kinder tauschen dabei nicht nur ihre Angelruten gegen Handys ein.

Radu Ciorniciuc gelingt ein poetischer Film, der dennoch das Fundament journalistischer Arbeit genießt. Die Lebenswelt der Familie Enache im Europa des dritten Jahrtausends mutet unglaublich und geradezu exotisch an. Durch die Übersiedlung in die Stadt sieht sich die Familie auf allen Ebenen mit vollkommen neuen Herausforderungen konfrontiert, die unterschiedliche Auswirkungen haben – auch auf die patriarchale Struktur des Familienclans.

Produktionsländer
Rumänien
Deutschland
Finnland

Drehbuch
Lina Vdovîi

Produktion
Monica Lazurean-Gorgan
 

Kamera
Radu Ciorniciuc & Mircea Topoleanu

Schnitt
Andrei Gorgan

Musik
Gaute Barlindhaug

16:00 Samstag, 19. Juni 2021
Doublefeature „Hush Now Baby, Don‘t You Cry“ – Teil 2
Stadttheater

Wildland
2020, Jeanette Nordahl

Nach dem Tod ihrer Mutter kommt die Waise Ida in die Obhut ihrer Tante. Was sich zuerst wie ein Ort der Geborgenheit anfühlt, entpuppt sich jedoch bald als mafiöser Clan einer gnadenlosen Matriarchin.

Zunächst fühlt sich Ida in ihrem neuen Zuhause wohl und lebt zusammen mit ihren drei Cousins in einer Umgebung, die von Zärtlichkeit und Liebe geprägt zu sein scheint. Doch nach und nach wird unter dem vermeintlichen Familienidyll eine vergiftete Clanstruktur sichtbar. Ida findet sich schließlich in einem Zirkel aus Gewalt, Sucht und Einschüchterung wieder. Als sie erkennt, dass ihre Cousins unter der Anleitung ihrer Mutter als brutale Schuldeneintreiber agieren, ist Ida hin- und hergerissen zwischen der Verstörung über die kriminellen Vorgänge und dem Mitgefühl, das sie für ihre neue Familie empfindet.

Als Ida Zeugin eines Gewaltexzesses der Brüder wird, gerät die Situation außer Kontrolle. Sie sieht sich mit ernsthaften Konsequenzen konfrontiert. Wie weit ist Ida bereit, für die neue Familie zu gehen?

»Wildland« ist ein modernes Kriminaldrama, in dem Frauen die Hauptrollen spielen, und eine radikale Reflexion über Familie, Loyalität und den Kreislauf von Kriminalität und Korruption. Zuallererst aber erzählt der Film von dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit. Wie ein Sog dreht sich eine verhängnisvolle Spirale, und es scheint, als wäre es der Hauptfigur unmöglich, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Unaufhaltsam und zwingend treibt das Drehbuch von Ingeborg Topsøe die Handlung voran und dabei öffnen sich immer neue dunkle Abgründe. Ihre Protagonistin muss unter widrigsten Umständen vom Mädchen zur Frau werden, ihr Leben selbst in die Hand nehmen und Entscheidungen treffen, deren Konsequenzen sie auch verantworten muss. Regisseurin Jeanette Nordahl findet in dem Film einen Zugang zu einer Darstellung von Gewalt, die sie überraschend nahe an Liebe und Zärtlichkeit verortet. 90 Minuten Hochspannung.

Produktionsland
Dänemark

Drehbuch
Ingeborg Topsøe

Kamera
David Gallego

Schnitt
Michael Aaglund

Musik
Frederikke Hoffmeier